Agiles Change Management bei Microsoft: Praxisbeispiele und Erkenntnisse
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Veröffentlicht: 13. November 2025
Die Verbindung von agiler Lösungsentwicklung und Change Management ist ein globaler Trend, der sich seit der Pandemie und durch den steigenden Bedarf an digitaler Transformation weiter beschleunigt. Unternehmen müssen sich zunehmend darauf vorbereiten, zukunftsfähig zu bleiben.
Sowohl bei Microsoft als auch in der gesamten IT-Branche wenden Projektmanagerinnen und -manager immer häufiger agile Prinzipien bei Technologieprojekten an. Schätzungsweise basieren heute rund 80 Prozent meiner Kundenprojekte auf agilen Ansätzen. Gleichzeitig prägen Change-Management-Fachleute neue Standards, wie die menschliche Seite von Veränderungen iterativ gestaltet werden kann.
Im Rahmen unserer strategischen Partnerschaft haben Microsoft und Prosci das gemeinsame Ziel, hier neue Maßstäbe zu setzen.

„Agiles“ Change Management
Bei Microsoft und Prosci verstehen wir unter „agilem“ Change Management die Anwendung von Change-Management-Prinzipien, die mit agilen, iterativen Projektmanagement-Ansätzen wie Agile, Scrum oder SAFe im Einklang stehen. Dabei werden Arbeitsergebnisse nicht mehr linear in festgelegten Phasen geliefert, sondern in regelmäßigen, inkrementellen Sprints veröffentlicht.
Agiles Change Management legt besonderen Wert auf kontinuierliche Verbesserung und Anpassung über den gesamten Projektlebenszyklus hinweg. Noch vor wenigen Jahren galt das klassische „Wasserfallmodell“ als Standard im Projektmanagement. Heute beobachten wir jedoch eine deutliche Zunahme an Projekten, die nach agilen Prinzipien arbeiten – Methoden wie Scrum oder vergleichbare Ansätze sind inzwischen die Norm in IT-Projekten.
Parallel dazu wächst die Nachfrage nach spezialisierten Change-Management-Expertinnen und -Experten. Microsoft und Prosci-Kundinnen und -Kunden erkennen zunehmend, dass Change Management eine Schlüsselkompetenz ist, die in allen zentralen Rollen entwickelt werden sollte, die über den Erfolg von Transformationsprogrammen entscheiden. Change Practitioners arbeiten dabei eng mit Product Ownern, Produktmanagerinnen, Scrum Mastern, Agile Coaches, CIOs, CDOs, Innovationsverantwortlichen und vielen weiteren Rollen zusammen, die iterative Ansätze im Arbeitsalltag anwenden.
Innerhalb von Microsoft wurde das „Adoption and Change Management“-Team gegründet, um der steigenden Kundennachfrage gerecht zu werden. Der Aufbau begann 2006, als spezialisierte Change Practitioners – damals als Business Strategy Consultants bezeichnet – offiziell Projekten zugeordnet wurden, um die Einführung von Microsoft-Services und -Tools zu unterstützen.
Inzwischen hat sich das Team zu einer globalen Organisation entwickelt, die rund 100 Prosci Certified Change Practitioners umfasst – Expertinnen und Experten mit tiefgehender Erfahrung in technologiegetriebenem Change und digitaler Transformation.
3 Agile Change Management Szenarien
Das Adoption- und Change-Management-Team von Microsoft arbeitet regelmäßig mit Kunden zusammen, die Microsoft-Technologien in Unternehmensumgebungen einführen – darunter Azure, Microsoft 365, Dynamics 365, Power Platform, Datenanalysen und künstliche Intelligenz sowie branchenspezifische Lösungen, die auf individuelle Geschäftsanforderungen zugeschnitten sind. In der Regel wenden wir agiles Change Management auf drei Arten an:
Szenario 1: Klassisches Change Management in agilen Projekten
In diesem Szenario integrieren wir Change Management in ein agiles Projekt (z. B. unter Anwendung von Scrum oder SAFe). Obwohl das Projektteam ein agiles Framework einsetzt, arbeitet das Change-Management-Team weiterhin in konventionellen, wasserfallartigen Phasen: vorbereiten, planen und den Wandel steuern. Das Change-Team sammelt dabei notwendige Informationen von den Entwicklungsteams und übersetzt sie in Change-Strategien, Taktiken und Maßnahmen. Diese helfen den Beteiligten, ihre ADKAR-Übergänge zu meistern. Mit anderen Worten: Das Change-Team ist klassisch in Projektaktivitäten wie Pilotphasen oder Akzeptanztests eingebunden.
Zum Beispiel entwickelte ein führendes Unternehmen für Materialflusstechnik in Europa eine moderne Anwendung, um Servicetechniker bei ihrer täglichen Arbeit – der Wartung oder Reparatur von Anlagen an Kundenstandorten – zu unterstützen. Da diese Lösung eine erhebliche Veränderung der bisherigen Arbeitsweise darstellte, entschied sich die Organisation für einen strukturierten Ansatz im Change Management. Das Adoption- und Change-Management-Team von Microsoft arbeitete mit dem internen Implementierungsteam zusammen, um ein gemeinsames Rahmenwerk und Change-Kompetenzen auf Basis der Prosci-Methodik zu etablieren. Obwohl das Projekt nach agilen Prinzipien aufgesetzt war, setzte das Change-Team erfolgreich einen Wasserfallansatz in den Phasen Analyse, Planung und Umsetzung ein.
Change-Programm eines Materialflusstechnik-Kunden – phasenweise umgesetzt und an Sprints ausgerichtet
Szenario 2: Agiles Change Management in der digitalen Produktentwicklung
In diesem Setup ist das Change-Team Teil des Entwicklungsteams – oft verteilt über mehrere Scrum-Teams (eine abgestimmte Gruppe von Fachkräften, die gemeinsam auf ein Produkt- oder Projektziel hinarbeiten), abhängig von der Projektstruktur. Change Manager begleiten den gesamten Prozess – von der Ideenfindung bis zur Auslieferung produktionsreifer, minimal funktionsfähiger Produkte (MVPs).
Neben der Steuerung der menschlichen Auswirkungen von Veränderungen auf Rollen oder Nutzer ist es das Ziel des Change-Teams, die gesamte Organisation über alle Ebenen hinweg durch einen kulturellen und mentalen Wandel zu führen – bis der neue Zustand als "Business-as-usual" etabliert ist. Die klassischen Aufgabenbereiche der Change Manager werden dabei durch agiles Coaching, Readiness für Product Owner sowie Kompetenzaufbau von IT und Fachbereichen in Design Thinking, DevOps, Scrum, SAFe oder Tools wie Microsoft Azure DevOps, Kanban-Boards und Ähnlichem ergänzt.
Zur Veranschaulichung: Ein Industriekunde aus dem Bereich der erneuerbaren Energien startete 2019 eine digitale Transformation mit dem Ziel, sich zum digitalen Marktführer seiner Branche zu entwickeln. Um sicherzustellen, dass die digitalen Lösungen reale Geschäftsprobleme adressieren, wurde das Business von Beginn an bis zum Abschluss eng eingebunden – mit dem Ziel, Mitarbeitende durchgängig zu befähigen und auf dem Veränderungsweg zu unterstützen.
In diesem Fall übernahmen Business-Vertreter die Rolle von Product Ownern und waren aktiv an der Ideenfindung und der Entwicklung von Use Cases beteiligt. Die Scrum-Teams entwickelten anschließend produktionsreife MVPs in einem Zeitraum von wenigen Monaten statt Jahren. Die menschliche Dimension der Veränderung umfasste neue agile Arbeitsweisen, kulturellen Wandel, neue Denkweisen sowie die Einführung der Lösungen.
Um den Erfolg des Kunden zu sichern, unterstützte das Microsoft Adoption- und Change-Management-Team zudem das Ziel, ein internes „Digital Enablement Office“ aufzubauen. Diese Initiative beinhaltete agiles Coaching, die Begleitung der Nutzerakzeptanz für neue Microsoft-Lösungen und weitere Maßnahmen. Aufgrund des Umfangs war das Change-Team vollständig in die Scrum-Teams integriert.
Architektur des agilen Change-Programms eines Kunden aus der erneuerbaren Energiebranche
Szenario 3: Agiles Change Management zur Umsetzung ambitionierter Cloud- und Unternehmens-Transformationen im großen Maßstab
Dieses letzte Szenario betrifft Organisationen mit sehr ambitionierten Zielen – etwa dem strategischen Anspruch, Geschäftsprozesse zu modernisieren und zu digitalisieren, um Wettbewerbsvorteile zu erzielen oder Innovationen voranzutreiben. Die IT-Bereiche in diesen Unternehmen streben ein produktzentriertes Betriebsmodell an, das den geschäftlichen Nutzen von IT-Lösungen und -Services maximiert. Ehemalige Start-ups wie Spotify haben den Mehrwert und die Wirkung eines menschzentrierten Ansatzes in der Produktentwicklung auf hyper-agiler Ebene eindrucksvoll belegt. Immer mehr Unternehmen nähern sich diesem Konzept und setzen dabei auf skalierte agile Methoden für Großunternehmen.
Ein Beispiel: Ein Automobilhersteller plant den Aufbau einer vollständig neuen, cloud-nativen und modernen IT-Plattform inklusive Organisationsstruktur, die auf Prinzipien von Agile und DevOps basiert. Als mehrjähriges Programm ebnet das Projekt den Weg für eine zukunftsfähige, cloud-first Plattform und ein neues Zielbetriebsmodell in der IT. Die Herausforderung liegt darin, dass viele Mitarbeitende aus einer bisherigen Struktur kommen, in der Plattform, Systeme und Anwendungen on-premises betrieben wurden – mit der klassischen Trennung von IT-Betrieb, Entwicklung und Support. Die Einführung von DevOps und agilen Arbeitsweisen bringt hier tiefgreifende Veränderungen für die Mitarbeitenden mit sich.
Da die Organisation über ein niedriges Reifegradniveau im Change Management verfügt und es an Change-Kompetenzen mangelt, besteht das Ziel darin, die Veränderungen im Zuge neuer Rollen durch die neue Struktur zu steuern – ebenso wie den Wandel in Verhalten, Denkweise und Unternehmenskultur insgesamt zu führen.
Im angestrebten Zielzustand arbeiten Business und IT wesentlich enger zusammen an der Entwicklung digitaler Produkte und Lösungen, die entweder zentrale Geschäftsprobleme adressieren oder als neue Geschäftsmodelle dienen. Die Rolle der IT entwickelt sich dabei von einem reinen Dienstleister hin zu einem echten Enabler der Geschäftsstrategie.

Manufacturing client's adoption and change management backlog in Azure DevOps
Bei der Planung von agilen Veränderungsprozessen mit Microsoft-Kunden wähle ich das passende Szenario basierend auf den jeweiligen Rahmenbedingungen – einschließlich Projektstruktur, Kundenpräferenzen, vorhandener Methoden und Vorgehensweisen, bestehender Kompetenzen sowie der bisherigen Erfahrungen. Im operativen Einsatz entwickeln meine Teams und ich zunächst einen initialen Ansatz, den wir so früh und schnell wie möglich anpassen und weiterentwickeln (z. B. nach dem Prinzip: fail fast, learn fast, adapt fast), um frühzeitig Routinen und Rituale im Prozess zu etablieren.
Der Schritt zum Agilen Change Management
Wenn Sie bislang noch keine Berührungspunkte mit agilen Szenarien hatten und nun bereit sind, Ihre persönliche Change-Reise zu starten, fragen Sie sich vielleicht: Wie beginne ich am besten? Bevor Sie tiefer einsteigen, bedenken Sie: Klassisches Change Management hat nach wie vor einen hohen Stellenwert und eine starke Relevanz – insbesondere in nicht-agilen Projektszenarien.
Die entscheidende Frage, die Sie sich stellen sollten, lautet: Ist meine Organisation in der Lage, mit komplexen digitalen Innovationen und dem beschleunigten Wandel am Markt Schritt zu halten? Wenn ja, dann kann die Einführung agiler Change-Management-Ansätze genau der richtige nächste Schritt für Sie und Ihre Organisation sein.