Interview mit einer Change-Management-Leader bei Microsoft
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Veröffentlicht: 13. November 2025
Alistair Lowe-Norris leitet die globale Strategie für Adoption & Change Management bei Microsoft. Im folgenden Interview teilt er seine Erfahrungen darüber, wie sich Change Management bei Microsoft entwickelt hat – und welche entscheidende Rolle es heute für nachhaltigen Erfolg spielt.
Interview mit Alistair Lowe-Norris
Wann begann Microsoft, in Change Management zu investieren?
Die Mitarbeitenden bei Microsoft beschäftigen sich schon seit Langem mit Change Management – allerdings war das anfangs kaum öffentlich sichtbar. Die ursprüngliche Gruppe, die das Thema vorantrieb, entstand 2005 und war als Business Strategy Consulting Team bekannt. Dieses Team aus 25 Spezialistinnen und Spezialisten konzentrierte sich darauf, Kund:innen, die große Mengen an Technologie erworben hatten, dabei zu unterstützen, diese optimal zu nutzen. Sie arbeiteten eng mit Kund:innen und Führungskräften auf C-Level zusammen, um neue Arbeitsweisen mit den erworbenen Technologien erfolgreich einzuführen.
Etwa 2009 oder 2010 erkannte Microsoft, dass Change Management als strategische Fähigkeit einen echten Wettbewerbsvorteil bieten kann. Dafür war jedoch ein umfassenderer und skalierbarer Ansatz erforderlich, als bisher genutzt wurde. Heute verfügt Microsoft über ein dediziertes Team von rund 100 Expert:innen, die sich ausschließlich mit Adoption und Change Management befassen. Ihr Ziel ist es, Kund:innen und Partnerunternehmen dabei zu unterstützen, eigene Change-Kompetenzen aufzubauen und einen echten geschäftlichen Mehrwert aus den eingesetzten Produkten und Services zu erzielen.
Was veranlasste Microsoft, eine externe Change-Management-Methodik einzuführen?
Einer der Hauptgründe war der hohe Qualitätsstandard, den wir im Umgang mit unseren Kundinnen und Kunden setzen. Wir hatten bereits eine eigene, intern entwickelte Change-Management-Methodik, die gut funktionierte. Doch bevor wir mit Kundinnen und Kunden überhaupt sinnvoll über den Mehrwert von Change Management sprechen konnten, stellten wir fest, dass viele sehr detaillierte Fragen zu unserer Methodik, zur zugrundeliegenden Forschung und zu ihrer Anwendbarkeit aufkamen.
Das verlangsamte unsere Arbeit erheblich. Es lag daher nahe, von einem proprietären Ansatz auf ein international anerkanntes, externes Framework umzusteigen – und wir entschieden uns für Prosci, das wir als globalen Marktführer im professionellen Change Management betrachten.
Für Prosci sprachen mehrere Gründe: Erstens verfügt Prosci über ein umfassendes Set an Intellectual Property (IP). Zweitens basiert die Methodik auf über 20 Jahren Forschung und Praxiserfahrung, was ihre Qualität eindrucksvoll belegt. Drittens bietet Prosci ein vollständiges System an Trainings- und Befähigungsmaßnahmen, das wir individuell anpassen und weiterentwickeln konnten. Und schließlich überzeugte uns Prosci durch den Fokus auf individuelle Veränderung – zusätzlich zur organisatorischen. Während viele Ansätze ausschließlich auf organisatorischen Wandel ausgerichtet sind, vereint Prosci beide Ebenen. Dieser menschenzentrierte Ansatz passt perfekt zu Microsofts Mission, „jede Person und jedes Unternehmen auf dem Planeten zu befähigen, mehr zu erreichen.“
Wie hat sich Change Management bei Microsoft im Laufe der Zeit entwickelt?
Besonders in den letzten dreieinhalb Jahren hat sich viel verändert. Intern haben wir über 2.250 Mitarbeitende in der Prosci-Methodik zertifiziert. Darüber hinaus haben wir formelle Change-Management-Trainings für Führungskräfte und Mitarbeitende durchgeführt – über 1.000 weitere Personen. Insgesamt haben wir mehr als 25.000 Menschen bei Microsoft in irgendeiner Form im Bereich Change Readiness erreicht. Heute ist Change Management daher weit breiter im Unternehmen verankert als zu Beginn unserer Reise.
Wie konnten Sie so viele Change-Practitioner unterstützen?
Unsere Investitionen in eine Community of Practice und in lokale Change-Netzwerke haben entscheidend dazu beigetragen, unsere Fachleute zu fördern und zu unterstützen. Wenn jemand das Zertifizierungsprogramm abschließt, wird diese Person Teil einer aktiven Community of Practice mit Fachexpertinnen und -experten, regelmäßigen Treffen und einem Netzwerk, in dem Erfahrungen ausgetauscht, Probleme gelöst und voneinander gelernt wird.
Darüber hinaus engagieren wir uns weltweit in Change-Management-Verbänden – sowohl in Leitungsfunktionen als auch in regionalen Gruppen – und unterstützen Konferenzen und Initiativen zum Wissensaustausch. Diese globale Community ist ein echter Mehrwert für Microsoft. Durch unsere Arbeit mit Tausenden von Kundinnen und Kunden weltweit haben wir über die Jahre viele Erkenntnisse gewonnen, die wir wiederum intern nutzen, um Change-Management-Projekte noch erfolgreicher umzusetzen.
Sie haben auch in ein umfassendes Instruktorenprogramm investiert, um viele Practitioner zu zertifizieren, richtig?
Ja, Microsoft hat heute mehr Prosci Certified Advanced Instructors (PCAIs) als jedes andere Unternehmen weltweit. Wir werden voraussichtlich im kommenden Jahr mehr als 20 PCAIs haben. Diese Zertifizierung ist für uns ein enormer Schritt nach vorn – sie stellt einen großen Sprung vom Train-the-Trainer-Status zur PCAI-Qualifikation dar. Ein Train-the-Trainer-Absolvent erwirbt das Wissen und die Werkzeuge, um die rollenbasierten Trainingsprogramme von Prosci zu vermitteln. Als PCAI jedoch muss man das Material wirklich lebendig gestalten – mit mehr als 70 praxisnahen Geschichten und Beispielen. Die inhaltliche Tiefe ist dabei entscheidend: Wenn der Strom ausfällt, muss man in der Lage sein, das gesamte dreitägige Zertifizierungsprogramm aus dem Gedächtnis zu unterrichten – ganz ohne Folien, ganz ohne Materialien. Genau das ist tatsächlich schon vorgekommen.
Wir haben daher ein spezielles Entwicklungsprogramm für Instruktorinnen und Instruktoren aufgebaut, das alle PCAI-Kandidatinnen und -Kandidaten unterstützt. Es umfasst ein Mentoring- und Coaching-Programm, damit die Teilnehmenden optimal auf ihr abschließendes offizielles Audit durch Prosci vorbereitet sind. Microsoft ist überzeugt, dass diese Kandidatinnen und Kandidaten nicht nur bestehen werden, sondern zu echten Instruktorinnen und Instruktoren auf Weltklasseniveau heranwachsen. Das entspricht genau dem Anspruch, den Prosci an die Verleihung des Titels „Prosci Certified Advanced Instructor“ stellt.
Wir haben darüber gesprochen, wie Sie Ihre Change-Management-Community aufgebaut haben. Wie haben Sie Change Management im gesamten Unternehmen verankert?
Zunächst haben wir ein Playbook der Prosci-IP veröffentlicht, ergänzt durch individuell angepasste Webinare, Online-Trainings und ein Selbstlern-Curriculum, das es Mitarbeitenden ermöglicht, sich Change Management eigenständig anzueignen. Dadurch wurde es leicht, die jeweils relevantesten Inhalte für jede Rolle und Situation zu finden und anzuwenden. All das wurde in einem „Living OneNote“ zusammengefasst, das kontinuierlich aktualisiert wird. Außerdem haben wir unsere Unternehmenslizenz mit Prosci erweitert, um diesen Ansatz zu unterstützen. Microsoft hat damit Zugriff auf sämtliche Prosci-Inhalte – ein entscheidender Vorteil, da wir unseren Mitarbeitenden intern wie extern stets das passende Wissen zur richtigen Zeit anbieten wollen. Wann immer Prosci neue Inhalte veröffentlicht, wird unser OneNote aktualisiert, sodass unsere Change-Management-Community immer auf dem neuesten Stand bleibt.
Darüber hinaus passen wir die Prosci-Inhalte laufend an, um sie stärker mit den internen und externen Gruppen von Microsoft zu verzahnen. Wir haben eigene Webinare und Online-Schulungen entwickelt, die einem breiten Publikum vermitteln, welchen Beitrag Change Management und seine strategische Bedeutung für Microsoft leisten. Außerdem haben wir Präsenztrainings für verschiedene Zielgruppen – von Sponsoren über Führungskräfte bis hin zu Projektmanagerinnen und -managern – konzipiert und diese Kurse gemeinsam mit PMI und ACMP akkreditieren lassen. Aktuell entwickeln wir virtuelle, von Instruktorinnen und Instruktoren geleitete Trainings und integrieren Change-Management-Prinzipien direkt in unsere Managementkurse. Allein dieser Kurs wird rund 25.000 Führungskräfte mit Change-Management-Wissen ausstatten.
Wie haben Sie Change Management bei Partnern und Unternehmenskunden etabliert?
Wir sind dabei in drei Schritten vorgegangen: Erstens haben die meisten Mitarbeitenden bei Microsoft, die im direkten Kontakt mit Unternehmenskundinnen und -kunden stehen, Schulungen absolviert und Zugriff auf Tools erhalten, um über Veränderung zu sprechen – zu erklären, was Change Management ist, warum es wichtig ist, und wie man den Umfang und die Dimension von Veränderungsprojekten richtig einschätzt. Unsere Beraterinnen und Berater können sich dann gezielt einschalten, wenn ein Kunde intensivere Unterstützung von Microsoft benötigt.
Zweitens haben wir Inhalte zu Adoption und Change Management auf kundenorientierten Portalen bereitgestellt. So können Kundinnen, Kunden und Partner nachvollziehen, wie sie mit Hilfe von Change-Management-Prinzipien Akzeptanz und Nutzung neuer Lösungen in ihren Organisationen gezielt fördern können.
Und drittens wollten wir unsere Partner darin unterstützen, selbst exzellentes Change Management zu betreiben. Microsoft arbeitet mit Zehntausenden von Partnern weltweit zusammen, die unsere Technologien in Unternehmen jeder Größe implementieren. Um diese Community zu stärken, haben wir ihnen unser Change-Management-Playbook zur Verfügung gestellt und das „Adoption Services Program for Partners“ eingeführt.
Damit können unsere Partner dieselben Unterstützungsleistungen anbieten wie wir selbst – auf Basis der gleichen Prosci-Inhalte, mit denen wir auch direkt bei Kundinnen und Kunden arbeiten.
Was war der entscheidende Faktor für erfolgreiches Change Management bei Microsoft?
Es ist interessant – viele denken, dass Schulungen und Kommunikation allein die Lösung für Change-Management-Herausforderungen sind. Das stimmt so aber nicht, denn Change Management erfordert weit mehr.
Bei Microsoft haben wir diesen Mangel behoben, indem wir einen starken Fokus auf formale Change-Management-Schulungen gelegt haben – unterstützt durch eine klare Strategie sowie ein wachsendes Netzwerk aus Fachleuten und Expertinnen und Experten. Dadurch haben wir das Interesse am Thema enorm gesteigert, und immer mehr Mitarbeitende möchten heute selbst eine Ausbildung in Change Management absolvieren. Inzwischen ist Change Management ein fester Bestandteil der Microsoft-Kultur geworden.
Abschließende Frage: Wenn Sie Menschen erklären, welchen Unterschied Change Management macht – was sagen Sie dann?
Change Management verschafft unseren Kundinnen und Kunden einen klaren Wettbewerbsvorteil. Es führt zu besseren Geschäftsergebnissen und einer deutlich höheren Rendite als ohne einen strukturierten Change-Ansatz.
Wir sehen das in der Praxis: Kundinnen und Kunden, die an einem zwei- bis dreitägigen Workshop zu Adoption und Change Management teilnehmen und lernen, eine sogenannte „Adoption Roadmap“ zu erstellen, verzeichnen im Durchschnitt eine 450-prozentige Steigerung der Nutzung neuer Technologien im Vergleich zu denen, die nicht teilgenommen haben. Tatsächlich berichteten 80 Prozent der Teilnehmenden von einer höheren Nutzerakzeptanz, und 50 Prozent gaben an, dass sich die Implementierungszeit deutlich verkürzt hat. Mit einem strukturierten Change-Management-Ansatz erreichen wir also schnellere Einführung, höhere Nutzung und einen nachhaltig gesteigerten ROI.